Diskussion über berufliche Bildung
Donnerstag, den 09. April 2015 um 17:34 Uhr
Freie Wähler diskutieren über die Zukunft durch berufliche Bildung im Handwerk
Mitterteich
Fachkräftemangel, freibleibende Ausbildungsstellen, Imageprobleme des Handwerks und Akademisierung der Berufswelt. – Diese Situation war Anlass für den Kreisverband der Freien Wähler zu einer Diskussionsrunde zum Thema „ Zukunft durch berufliche Bildung“ ins Museumscafe in Mitterteich einzuladen. Kreisvorsitzende Gisela Kastner konnte dazu als
Gesprächspartner Landrat Wolfgang Lippert, Firmeninhaber Wilhelm Forster, den Geschäftsführer vom Jobcenter Tirschenreuth Leonhard Merkl, den Zukunftscoach Andreas Büttner, den Fraktionssprecher der Freien Wähler im Kreistag Hans Klupp, mehrere Betriebs- und Firmeninhaber, Bürgermeister, Kreis- und Gemeinderäte sowie zahlreiche Gäste aus dem ganzen Landkreis begrüßen.
Die Kreisvorsitzende schilderte in ihrer Einführung zum Thema die Herausforderungen, denen sich die Arbeitswelt gerade in unserer Region stellen muss. Die nördliche Oberpfalz sei aufgrund der demografischen Entwicklung und dem zusätzlichen Wegzug junger Leute davon besonders betroffen. Symptomatisch sei, dass 2014 über hundert Ausbildungsverträge weniger gegenüber 2013 abgeschlossen wurden.
Bei der Problembeschreibung stehen zu bleiben bringe jedoch nichts. Es muss vielmehr versucht werden, das Image der beruflichen Bildung allgemein und in unserer Gegend im Besonderen zu verbessern. Die Chancen, die eine berufliche Bildung bietet, müssen klar benannt werden. Nachdem jahrelang die akademische Ausbildung auch in den Medien überbetont wurde, ist die Zeit gekommen, den Wert und das Ansehen der beruflichen Ausbildung stärker in den Fokus zu rücken. Dies kann nur gelingen, wenn in der Öffentlichkeit das Handwerk wieder positiv dargestellt wird.
Herr Büttner, Studienrat an der Berufsschule Wiesau und einer der beiden Zukunftscoaches im Landkreis, erzählte von seiner Aufgabe. Die Zukunftcoaches unterstützen besonders die kleinen Handwerksbetriebe in der Region, indem sie Schulabgänger und Betriebe zusammenführen.
Bei einer sogenannten Berufe - Tour mit einem Bus durch den Landkreis, lernen die Jugendlichen Betriebe, Ausbildungsplätze und -berufe und damit Möglichkeiten für den Einstieg in das Handwerk kennen. Die „Woche der regionalen Ausbildung“ an der Berufsschule hat zum Ziel, die Ausbildungsmöglichkeiten der Berufsschule vorzustellen und den Horizont der Berufsmöglichkeiten für die jungen Leute zu erweitern.
Herr Leonhard Merkl, Geschäftsführer im Jobcenter Tirschenreuth, informierte über die Arbeit in den Jobcentern. Bedarfsgemeinschaften und Familien werden betreut. Durch die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit wird versucht, die Jugendlichen und Auszubildenden zum Handwerk zu bringen. Er appellierte an Firmen und Betriebe, jungen Leuten eine Chance zu geben, besonders auch Kinder, die sich beim Lernen schwerer tun und Kinder aus HARZT-IV-Familien dürfen nicht durch das Raster fallen. Herr Merkl verwies in diesem Zusammenhang auf Fördermöglichkeiten, die für Betriebe in Frage kommen.
Firmeninhaber Forster stellte fest, dass das Handwerk gerne ausbilde, dass aber die Jugendlichen arbeitswillig sein müssen. Eine Schnupperlehre bringt aus seiner Sicht viel Aufschluss über die Jugendlichen. Ausgehend von einer Lehre sind verschiedene Wege des beruflichen Aufstiegs zugänglich, so zum Beispiel die Meisterausbildung oder im technischen Bereich die Technikerausbildung. Maßgebend ist die individuelle Einstellung des Einzelnen und häufig auch die Unterstützung durch das Elternhaus.
Landrat Wolfgang Lippert merkte hierzu an, das Handwerk bietet Chancen zur Weiterbildung, zum Vorwärtskommen und zu einem guten Auskommen. Das Image des Handwerks müsse aber deutlich aufgebessert werden. Er verstehe, dass bei den Auszubildenden im Handwerk die Entlohnung nicht gerade Freudenausbrüche hervorrufe, hier müsse das Handwerk einen Hebel ansetzen und in die Zukunft investieren.
Bei der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass große Betriebe an die Schulen herantreten und sich so offensiv auf die Suche nach Auszubildenden machen. Auch bei Ausbildungsmessen stellen sie sich überzeugend dar und wecken so das Interesse der Jugendlichen. Kleine handwerkliche Betriebe tun sich da schwerer. Ein erfolgversprechender Weg könnte sein, mehr Wert auf die Kommunikation mit den Schulen zu legen: Praktikums- und Stellenangebote in der Schule veröffentlichen, Flyer verteilen, Plakate anbringen. Nicht warten, sondern mit dem eigenen Angebot hingehen, wo die zukünftigen Auszubildenden sind.
So muss das Handwerk mehr für sich werben. Zum Nulltarif, wie aus der Diskussion zu hören war, gibt es keine Auszubildenden mehr. Viele Firmen gehen her und veranstalten Ausbildungstage, Tage der offenen Tür, um die jungen Menschen an die Firmen heranzuführen und ihnen das Handwerk schmackhaft zu machen.
Mehrere Diskussionsteilnehmer betonten, dass es im Landkreis Tirschenreuth viele gute junge Leute gibt, die handwerkliches Geschick haben und auch in der Region bleiben wollen. Man müsse auf die Auszubildenden zugehen. Es gehe darum, den Auszubildenden etwas zuzutrauen, ihnen wertschätzend zu begegnen und sie zu motivieren.
Derzeit wird ein Projekt ins Leben gerufen, wo Kinder von Asylbewerbern, durch den Freistaat Bayern finanziert, zusammenkommen, unterrichtet und ausgebildet werden. Dies ist eine gute Chance dem demografischen Wandel zu begegnen.
Die Handwerker unter den Diskutierenden beklagten, dass unsere Kinder kaum mehr handwerkliche Fähigkeiten lernen, weder zu Hause beim Spielen noch beim Lernen in der Schule. Es wurde angeregt, dass in den Ganztagsschulen diese Fähigkeiten mehr Platz erhalten sollten und nicht nur der Intellekt, sondern auch das manuelle Geschick trainiert werden soll. Nur so könne es gelingen, Interesse und Freude am handwerklichen Arbeiten zu wecken.
Als Fazit der Diskussionsrunde stellte die Kreisvorsitzende fest, dass es gute Ansätze und Ideen gebe, um das Interesse an handwerklichen Berufen zu erhöhen. Es sei aber auch erkennbar, dass das Handwerk noch stärker in die Öffentlichkeit gehen müsse. „Denken findet seinen Ausdruck in Worten, diese prägen die Realität,“ gab Gisela Kastner zu bedenken. „ Deshalb muss das Handwerk positiv über die Chancen im Handwerk sprechen. Immer und immer wieder.“ Mottos wie „Handwerk hat goldenen Boden“ und „ICH BIN HandWERker“ können helfen, dem Handwerk ein positives, stolzes und zupackendes Image zu geben.